Wagen. Knecht. Wird der Name Programm?

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Ein Meinungsbetrag von Christa Schyboll

Ich mag sie. Diese Kärrnerin, Knechtin des wuchtigen Wagens, den sie aus dem Dreck ziehen will. Ich werde sie wählen, falls sie antritt. Ob es richtig sein wird, wird sich erst später herausstellen, wie bei allen Wahlen. Wie bei allen Parteien, die versprechen, orakeln, etwas wollen… und so oft nicht können… weil: wir wissen doch, wie es so läuft!

Und die politische Schnittmenge? Da ist noch Luft nach oben. Aber das ist es ja immer. Entscheidend ist mehr, dass die Schnittmengen mit den anderen wesentlich geringer sein. Natürlich finde ich bei jeder Partei etwas, wo ich auch zustimmen kann. Mehr aber noch, wo mich der Graus erwischt. Deshalb das neue Experiment.  

Warum ich sie mag? Ihre Art zu denken, Zusammenhänge und Ereignisse zu betrachten und auch zu analysieren ist der meinen zumindest sehr ähnlich. Ähnlicher als mit jener der anderen Parteien. Die aus meinem alten Leben, wo noch andere Bedingungen unter den Menschen herrschten. Ich empfinde sie authentisch, aufrecht, glaubwürdig. Gewieft und kompetent. Klar in den Aussagen, schnörkellos und, trotz aller Schönheit: uneitel. Ihr Auftritt: edel. Wie viele Macken und Schwächen sie trotz dieser Sichtweise dennoch so hat? Ich weiß es nicht. Aber zumindest sind diese für mich nicht so offensichtlich und prioritär, wie es bei Politikern anderer Coleur der Fall ist.

Sie kennt das Geschäft, ist nicht blauäugig, auch wenn ihr das so manche gern unterstellen. Dahinter steckt dann meist wieder Kalkül. So ist das nunmal in der Politik. Jede Chance will genutzt werden. Auch und vor allem: die unschönen.  Wahlkampfgequatsche. Martialisch wie eh und je. Auch Edelsteine können Kratzer bekommen, können in den Matsch fallen, können Einschlüsse haben, die man lieber nicht sähe… All das ist mir bewusst. Deshalb ja auch kein blinder Hype um sie, kein Tanz ums goldene Kalb, sondern ein neuer Versuch, eine neue Chance.

Die Welt ist eine grundlegend andere geworden. Veränderungen an sich sind eine feste Konstante, die es braucht, wo Leben gedeihen will. Doch die globalen Umwälzungen in der derzeitigen Dimension von Eskalationen sprengen das, was die Menschen vorher kannten. Nicht nur bei uns, sondern überall. Und fast überall dramatisch und negativ. Leider. Insofern: Neue Chancen sind zu nutzen!

Man darf gespannt sein:

  • Auf ihre Mannschaft, die in ihrem Fall extrem willens- und gefühls-stark sein muss. Stark im Hinblick auf höchste Arbeitsbelastung in sehr kurzer Zeit. Mental stark in Bezug auf die zu erwartenden Angriffe. Denn da zieht ein Orkan von gleich mehreren Seiten auf.
  • Ihr Programm – wir werden es lesen und hören und sind immer gut beraten, auch zwischen den Zeilen zu lesen und unseren kritischen Verstand niemals auszuschalten
  • Ihre Durchhaltekraft … Hier kann man nur hoffen. Mit den richtigen Leuten an ihrer Seite könnte was gelingen.

Denn natürlich wird der Versuch, sie bereits vor der "Installation"  zu demontieren, von vielen Seiten gestartet werden. Denn was stark ist, ist ja immer auch gefährlich. Und Gefahren, die einem gut passen, die müssen beschworen werden. Auch dann, wenn es keine sind. Aber mit Verängstigung kann man so manches zitterndes Zweifel-Stimmchen vor der Wahl vielleicht wieder auf den "rechten" Weg bekommen, auch wenn der links oder in der Mitte abbiegt.

Demontage also, bevor man mit dem Montieren überhaupt erst richtig beginnt? Die Hetze ist schon überall unterwegs. Dabei ist es für die Presse in jedem Fall ein gefundenes Fressen, weil diese (mutmaßliche, eventuelle) Parteigründung Schlagzeilen über Schlagzeilen verspricht. Davon lebt die Presse. Und von Emotionen. Auch die müssen her. Notfalls wird mal wieder was erfunden. Hoch hochgejazzt… Es gibt genug Methoden, um den Leser bei Laune zu halten.

Wird sie eine faire Chance bekommen? Vor allem von der Presse, die die öffentliche Meinung maßgeblich beeinflusst? Dass eine Reihe von Menschen sie wählen werden, ist derzeit (noch) ziemlich gewiss, wenn man den Umfragen glauben kann. Ungewiss ist, was sie daraus machen kann, wie viel tatsächlichen Spielraum sie hat, mit wem sie sich unter Umständen zusammentun muss oder wird. Alles noch Unbekannte. Risiken über Risiken.  Erfolg ist niemals garantiert. Und duftet es zeitweise danach, dann gibt es viele Möglichkeiten, schnell einen Stinkhaufen draus zu machen, wenn man es nur will.

All das weiß sie. Sie weiß um die öffentlichen Kreuzigungen, die auch ihr unter Umständen bevorstehen. Sie weiß um Lügen, Halbwahrheiten, Gerüchte, die reich gestreut werden können, damit doch bitte dies und jenes im kollektiven Gedächtnis hängenbleibt.

Ist sie politisch oder wirtschaftlich für bestimmte Gruppen gefährlich oder unbequem, dann hat man ebenfalls probate Möglichkeiten…  Dass sie es wagt: ist mutig. Oder sollte ich schreiben: tollkühn?

Obschon ich allen Parteien kritisch gegenüberstehe bekommt sie diesmal meine Stimme – falls mich Programm und Mannschaft ebenfalls im erträglichen Maß überzeugen. Ohne Top-Leute ist sie verloren. Top-Leute, die  es auch aushalten, dass sie vermutlich auf längere Zeit Dreh- und Angelpunkt sein wird und immerzu im grellen Scheinwerferlicht von Gut und Böse stehen wird. Auch wenn sie das nicht anstrebt, nicht will. Das jedoch  ist dann zu ertragen, weil es diesmal eben auch um Charisma geht, das nicht eins zu eins auf andere Topleute übertragbar ist.

Ob ich es später einmal bereue oder mich erst recht daran erfreue? Es liegt in der Ungewissheit der Zukunft.


Foto: An einer Wand in der Peter Sodann Bibliothek in Staucha (Motto der Bibliothek: In den Bananenkisten des Westens schlummert das Wissen des Ostens)

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • André Bleicher
    5. Oktober 2023 15:59

    Wie hat Georg Kreisler in der Aktualisierung der 'Alten Tanten' getextet:

    Und nur
    Die Sarah Wagenknecht
    Ist stur
    Dass man verzagen mecht

    Das trifft immer noch zu.

    Antworten

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