THE BLACK RIDER.

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Ein wunderbarer Theaterabend und ein genialer Einstieg in die neue Spielzeit am Theater Paderborn. 

von Michael Mentzel

Was tut ein "Sesselfurzer", wenn er die Tochter des Försters heiraten möchte, der Vater der Angebeteten (Alexander Wilß) aber darauf besteht, dass der künftige Ehemann schießen können muss? Richtig, er muss es lernen. So gebietet es die Konvention, der Brauch, die Tradition. "Kommt was in den Magen rein, folgt das Herz von ganz allein!" Also: "Lerne Jagen!". 

Die Schießübungen jedoch fallen bescheiden aus, denn die Tiere, die der Amtsschreiber Wilhelm (Carsten Faseler) erlegen möchte, sehen ihn nur mitleidig an, zucken mit den Schultern und traben davon. Da kommt dem armen Wilhelm, der mit dem Federkiel besser umgehen kann als mit einer Flinte, der Stelzfuß (Daniel Minetti) gerade recht. Dieser nämlich verschafft ihm die Kugeln, die ihr Ziel von ganz allein treffen. Verträge dieser Art haben allerdings oft auch etwas Kleingedrucktes und so hat der Höllenritt, den Wilhelm mit Hilfe dieses Agreements nun antritt, einen kleinen Haken. Das Ziel der siebten – der letzten – Kugel wird nämlich von Stelzfuß bestimmt. 

Bis es aber zum Showdown kommt, durchlebt das Publikum ein Feuerwerk von Ideen, die sich Tom Waits, William S. Burroughs und Robert Wilson in Anlehnung an die Legende Carl Maria von Webers Freischütz haben einfallen lassen, ein Spektakel von, Musik, Schauspiel und Bewegung, immer frisch, witzig und voller Überraschungen. 

Die Szenerie (Bühnenbild von Matthias Strahm) erinnert an den Schützenfest-Zeltplatz vor dem Dorf: Festzelt, Bierbänke und ein Getränkekühlschrank, der sich im Verlauf des Stückes noch für etwas anderes eignen wird. Alles – und noch mehr – ziemlich abgeranzt und in eher düsteres Licht getaucht, die Kostüme in fast ebensolchem Zustand, und die Protagonisten in einem Outfit, bei denen man nicht an die Kleiderläden auf der Paderborner Westernstraße denken mag, sondern sich eher in Third-Hand-Läden in Downtown-Irgendwo versetzt fühlt. 

Ein geniales Ambiente also für die Musik von Tom Waits, gespielt von der Sebastian Müller Band, die dem Stück jene Atmosphäre verleiht, die an Texte von Bukowski oder Ginsberg erinnert. Alle musikalischen Stilrichtungen werden auf eine geniale Weise mit einer Sound- und Geräuschkulisse miteinander verwoben, Musik, die absolut authentisch daherkommt. Ein Hörgenuss vom feinsten! Dazu der Gesang der Protagonisten, die Einsätze, das Timing…

Claudia Sutter, herrlich skurril als Käthchen, Kirsten Potthoff, wunderbar schräg als Mutter Anne, Ogün Derndeli als der besser schießende Mitbewerber Robert, Niklas Hugendick als lebensweiser Kuno und anderen Rollen (unter anderem als Georg Schmidt) vervollständigen das Ensemble.

Ein weiteres Highlight des Stückes ist die Choreographie (Moira Fetterman). Auch hier ist alles aus einem Guß, zusammen mit der Musik, dem spielfreudigen Gesamt-Ensemble, das sich im Verlauf des Stückes – auch gesangstechnisch – immer mehr steigert. Und last but not least ist der Regisseur Ingmar Otto zu nennen, der in Paderborn unter anderem auch den "Kleinen Horrorladen" inszenierte und dessen Ideen dieses Stück zu einem wahren Freuden-Feuerwerk macht. 

So erleben wir ein Gesamtkunstwerk, wie es schräger, intimer, tragischer, witziger, und lebendiger kaum sein könnte. Das Paderborner Premierenpublikum feierte das Ensemble begeistert und hätte sich gern über eine zweite Zugabe gefreut. Unsere Empfehlung: Auf jeden Fall hingehen! 

Foto: Minetti, Faseler, Derendeli, Sutter, Potthoff, Wilß, Hugendick- Foto Ch. Meinschäfer

Die Band:
Klavier Sebastian Müller
Trompete Jonas Spieker / Daniel Reichert
Saxophon Sven Hoffmann / Thorsten Floth
Drums Clemens Ohlendorf / Sven Pollkötter
Kontrabass Daniel Le-Van-Vo / Marius Strootmann 
Gesang / Vocalpercussion Anna Borsdorf / Feli Ammer 
Musik und Gesangstexte von Tom Waits
Regie und Stage Design der Originalproduktion von Robert Wilson 
Original Orchestration von Tom Waits und Greg Cohen 
Buch von William S. Burroughs 

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