Rudolf Steiner. Fragen. Antworten.

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Fragenzettel

Wolfgang G. Vögele über einen neuen, von Renatus Ziegler im Rudolf Steiner Verlag herausgegebenen Band zum Thema Fragenbeantwortungen und Interviews. Der Band enthält eine umfangreiche Zusammenfassung (936 Seiten) neuer oder bereits in früheren Publikationen erschienenen schriftlich oder mündlich beantworteten Fragen und Antworten. 

I. Ein Wissender wird befragt

In welchen Kreisen er zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch auftrat: Rudolf Steiners umfassendes Wissen war legendär. Stefan Zweig hatte ihn im Literatenclub "Die Kommenden" kennengelernt: " [1] Es war aufregend, ihm zuzuhören, denn seine Bildung war stupend und vor allem gegenüber der unseren, die sich allein auf Literatur beschränkte, großartig vielseitig. Ähnlich beeindruckte er als Dozent der Berliner Arbeiterbildungsschule: "Steiner kam uns vor wie ein Silo, bis oben gefüllt mit dem Wissen der Welt." [2]

Auch in späteren Jahren, nunmehr als spiritueller Lehrer, faszinierte er sein Auditorium.

Ein Physikstudent gewann dadurch die Überzeugung "dass der menschliche Geist eine Stufe zu erklimmen vermag, auf der es ihm möglich ist, 'alles zu wissen', wenn auch in anderer Art, als man sich das gemeinhin vorstellt. [3]

Ein Hörer der letzten Vorträge im Herbst 1924: "Es war, als ob man Dr. Steiner nur an irgendeiner Stelle anzubohren brauchte, und ein Strom von übermenschlichem Wissen ergoss sich über die Zuhörer." [4]

Schon in theosophischen Zeitschriften (z.B. im "Vâhan", um 1900) gab es Rubriken mit Fragenbeantwortungen. An diese Tradition knüpfte Steiner in seiner Zeitschrift "Luzifer-Gnosis" (1903-08) eine Zeitlang an. Die Einsender stellten Fragen zur Esoterik, aber auch zur Lebenspraxis (Gesundheit, Ernährung usw.) 

Der Schauspieler Max Gümbel bringt in seinen Erinnerungen ein eigenes Kapitel "Fragenbeantwortungen", worin es heißt: "Nach den öffentlichen Vorträgen konnten auf Papier geschriebene Fragen auf das Rednerpult gelegt werden. Nach der Pause betrat Dr. Steiner das Rednerpult und durchflog rasch die Zettelchen. Er griff eines heraus und las die Frage vor. Während er sie beantwortete, sortierte er die Papiere weiter. Manchmal erwies es sich, dass die Fragen auf ungenauem Zuhören beruhten.Er wiederholte dann die genaue Formulierung seines Satzes. Es war bewundernswürdig einleuchtend, wenn er so einen Frager zurechtwies…. 
"Muss man unter allen Umständen die Wahrheit sagen?" stand auf einem Zettelchen. "Was man sagt, muss der Wahrheit entsprechen, aber es ist eine Taktfrage, ob man alles sagen kann, was wahr ist."

"Schädigt man sein Karma auch durch Tötung des Ungeziefers?" "Man muss bedenken, dass man seine Nachbarn belästigen kann, wenn man bei sich das Ungeziefer überhand nehmen lässt, wodurch man auch sein Karma belastet."

"Eine Dame frug, ob ihr Dr. Steiner eine Frage beantworten wolle, worauf er erwiderte: "Ja, ich werde antworten, wenn die Frage richtig gestellt ist." [5]

Steiner musste mehrfach einem weit verbreiteten Vorurteil entgegentreten, nämlich dem naiven Glauben, ein Geistesforscher müsse "alles" über die geistige Welt wissen.

Dem russischen Dichter Dimitrij Mereschkowskij, der Steiner ungeduldig bedrängt hatte: "Sagen Sie uns das letzte Geheimnis!" antwortete er: "Wenn Sie mir das vorletzte sagen. [6]

Privatgespräche (Audienzen)

Auf Steiners Vortragsreisen bildeten sich vor seinem Hotelzimmer. oft lange Warteschlangen von Ratsuchenden. Der vielleicht bekannteste Bericht über eine solche Audienz stammt von Franz Kafka, der leider Steiners Antworten nicht überlieferte. Auch Rittelmeyer berichtet von Privataudienzen: "Die Gespräche verliefen immer so, dass ich eine ganze Stunde lang Frage auf Frage stellte, wie ich sie mir vorher zurechtgelegt hatte. Er antwortete immer bereitwillig. Der Schatz von Wissen, aus dem heraus er das tat, wurde mit immer erstaunlicher […] Ganz selten kam einmal die Antwort: "Das habe ich noch nicht untersucht." – "Darf ich Sie etwas fragen, Herr Doktor?" begann ich oftmals. "Fragen Sie, was Sie wollen", antwortete er dann wohl. Nun war die Frage zurückgegeben, und man war selbst gefragt, ob man fragen könne und was man zu fragen habe. Wie sehr habe ich später bedauert, dass man nicht klüger gefragt hat. Man hätte noch unglaublich viel Interessantes erfahren, das man ja dann ganz frei hätte verarbeiten können. Denn Zustimmung verlangte Steiner niemals. Er erzählte nur und ließ es durch sich selbst wirken." [7]

In der Memoirenliteratur sind viele Privatgespräche geschildert, in denen Probleme in Beruf, Ehe und Familie, Ernährung, Meditation erörtert wurden. Der Zustrom Ratsuchender war besonders groß während anthroposophischer Veranstaltungen (Hochschulkursen, Kongressen, Fachtagungen). Steiners Tätigkeit als Lebensberater und Seelsorger steigerte sich in seinen letzten Lebensmonaten, so dass er seinen gesundheitlichen Zusammenbruch auf die Überlastung mit Gesprächen zurückführte. 

Ein Allwissender?

August von Kotzebue hat in seinem Lustspiel "Der Vielwisser" weltfremde Gelehrsamkeit karikiert. Weltfremd war Steiner schon deshalb nicht, weil es ihm auf die praktische Umzusetzung seiner Erkenntnisse ankam.

Hat sich Steiner sein Wissen nur autodidaktisch angelesen? Hat er es nur vorgetäuscht wie der Protagonist in dem von den Brüdern Grimm veröffentlichten Schwank "Doktor Allwissend"? Kritiker haben Steiner despektierlich einen "Universaldilettanten" genannt, weil er über alle möglichen Fachgebiete (Medizin, Kunstgeschichte, Nationalökonomie, Theologie usw.) vortrug, die er nie studiert hatte. Vor allem die Vermutung, der Meditationslehrer Steiner habe nie selbst meditiert (Zander),wäre, träfe sie zu, eine schwerwiegende moralische Unterstellung. Der Religionshistoriker Carl Clemen, der den Wahrheitsgehalt der Anthroposophie bezweifelte, schloss betrügerische Absichten aus: "[Steiner] glaubt wahrscheinlich an das, was er sagt." [8]

Im weiteren Sinn können auch die sechs Bände der so genannten "Arbeitervorträge" (GA 347-354) als Fragenbeantwortungen gelesen werden, da die Vorträge aus Fragen der Zuhörer hervorgingen. In den Arbeitervorträgen hatte Steiner Zuhörer vor sich, die für eine ausführliche Themenbehandlung dankbar waren, so dass es öfter vorkam, dass er am Ende eines Vortrags sagte, er werde das nächste Mal weiter fortfahren, die Frage zu beantworten.

Die Vielfalt seiner Vortragsthemen hat später manche Kritiker vermuten lassen, er habe über alles geredet, was ihm gerade in den Sinn kam oder womit er die Sensationslust seiner Zuhörer befriedigte. Allerdings sind die meisten Themen auf Wünsche der Mitglieder zurückzuführen. Aus solchen Anfragen entstanden später auch die meisten anthroposophischen "Praxisfelder" (früher "Tochterbewegungen" genannt): Eurythmie, Waldorfschule, anthroposophische Landwirtschaft oder Medizin. Weil diesen keine ausgefeilten Programme zugrunde lagen, warf man Steiner vor, er sich habe vieles autodidaktisch angelesen und dann improvisiert als eigenständige Idee vorgetragen. 

Die souveränen Antworten konnten auf manche Zuhörer auch provozierend wirken. So verabredeten sich einmal Studierende, Steiners Wissen zu "testen", indem sie ihm Fragen aus einem besonders abgelegenen Spezialgebiet vorlegten, um sich dann zu amüsieren, wenn er die Antwort schuldig blieb. Steiner aber bestand zur Verblüffung der Fragenden auch diesen Test. [9]

Hinter vielem, was Steiner sprach oder tat, vermuteten Kritiker böse Absichten. So gerieten sogar die Fragenbeantwortungen unter Verdacht, inzeniert zu sein. In einem Zeitungsbericht war die Rede von einem "Spiel bestellter Fragen und bereit gehaltener Antworten." [10]

II. Neuerscheinung: Fragenbeantwortungen

Rudolf Steiners sämtliche Fragenbeantwortungen und Interviews liegen nun erstmals in einem 920 Seiten starken Band der Gesamtausgabe (GA 244) vor. Die Sammlung enthält nicht nur Äußerungen in Vorträgen, sondern auch in Privatgesprächen. Der Band umfasst sowohl schriftliche als auch mündliche Antworten aus dem Zeitraum von 1892-1924 sowie Interviews von 1913 bis 1923. Zahlreiche Fragenbeantwortungen waren schon mit den dazugehörigen Vorträgen im Rahmen der GA abgedruckt worden. 

Der Band ist als Verzeichnis angelegt. In chronologischer Folge werden sämtliche Fragenbeantwortungen aufgelistet, die bereits publizierten werden bibliographisch ausgewiesen, die bisher nicht veröffentlichten abgedruckt. Praktisch ist auch ein Register im Anhang, das alle (auch die bereits edierten) Fragenbeantwortungen nach Themengebieten auflistet. Ein besonderes Register der von Steiner erwähnten Bibelstellen schließt den Band ab. 

Beispiele für Fragen (Auswahl)

Die Fragen bezogen sich u.a. auf die Auslegung von Bibelstellen, Tiere (Vivisektion), Bestattungsarten, Spiritismus, die im Weltkrieg Gefallenen, auch auf Sekten wie Christian Science, Mazdaznan, Quäker, richtiges Fragen lernen, Handlinien lesen, religiöse Sozialisten, Erziehung, Sakramente, Genussmittel, Erdbebenopfer und Karma; Mission einzelner Völker. Schon 1912 wurde nach den Wirkungen des Films gefragt. Das Tragen von Pelzen. Die historische Aufgabe des Islam. Wie hat sich der Theosoph dem Krieg gegenüber zu verhalten? (1913) Ist Rauchen schädlich? Schachspiel und Zufall. 

"Falsch gestellte Fragen" beantwortete er nicht. Solche Fragen lagen z.B. vor, wenn das Wesentliche des vorangegangenen Vortrags ignoriert wurde. 

Nach der Trennung von der Theosophischen Gesellschaft im Jahr 1913 wurde er gefragt: "Wie verhält sich die Theosophie zur Anthroposophie? Wird die früher hier vertretene Theosophie nicht mehr im vollem Umfang anerkannt?" (S.23) Steiner antwortete sinngemäß, hier sei heute wie damals immer nur Anthroposophie vertreten worden. Es sei ein Missverständnis, diese mit Theosophie zu identifizieren. Steiners Richtung habe sich "innerhalb gewisser Grenzen" im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft bewegt, bis man sie als ketzerisch empfand, weil sie nie abstrakte Mystik war. Dann "schmiss man die Anthroposophen heraus". Wer nur oberflächlich sich Kenntnis verschaffe (das können auch Mitglieder sein), komme zu solchen Verwechslungen. Die Anthroposophie habe sich in den letzten 15 Jahren weiterentwickelt (an Präzision und Intensität, auch in Formulierungen), nur Böswillige könnten von Wandlungen in der Weltanschauung spechen. Wer die Anthroposophie "festnageln" wolle, möchte sie zu etwas Totem machen.

Prekäre Quellenlage

Es wäre eine Illusion zu glauben, hier lägen authentische Wortlaute vor. Das ist noch weniger der Fall als bei jenen Vorträgen, die von Berufsstenographen mitgeschrieben worden sind. Der Herausgeber schreibt: "Es handelt sich um eine Kompilation von zum Teil wenig verlässlichen Bruchstücken aus Vortragsmitschriften", um "oft nicht erfasste Fragestellungen, lückenhafte Mitschriften der Antworten". Da in den meisten Fällen (vor allem aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg) kein Stenogramm überliefert ist und die mitschreibenden Personen nicht bekannt sind, können diese Aufzeichnungen "nur unter großem Vorbehalt als authentische Aussagen Steiners bewertet werden." 

Nicht immer waren Stenographiekundige anwesend, so dass manche Antwort recht und schlecht notiert und weitergegeben wurde. Oft ist nur die Antwort überliefert, aus der die Frage sinngemäß erschlossen wurde. Manche Antwort wurde auch mündlich überliefert und fand Eingang in die Anekdoten- und Erinnerungsliteratur.

Beigegeben sind zahlreiche Notizen von Ohrenzeugen, die bisher nicht publiziert wurden und von höchst unterschiedlicher Qualität sind. Da sich viele der Fragenbeantwortungen auf den vorausgegangenen Vortrag beziehen, dürften sie ohne dessen Kenntnis nicht immer ganz verständlich sein. Dennoch erhalten wir ein lebendiges Bild von Steiners seines Umgangs mit dem Publikum. 

Problematisch ist ferner, dass die Themen nicht immer den Anliegen und Intentionen Steiners entsprachen, sondern ihm "durch die Fragenstellenden diktiert oder gar aufgedrängt." wurden. 

Andererseits "kommt seine unmittelbare Reaktion auf die Anliegen seines Publikums kaum irgendwo besser zum Ausdruck als hier. Seine Reaktionen reichen von wichtigen Ausführungen zu bestimmten spezifischen Themen, die sich kaum anderswo finden lassen, bis zu offenem oder unterdrücktem Ärger über die Ignoranz der Fragenden." Manchmal weist er explizit darauf hin, dass er das entsprechende Gebiet zu wenig erforscht habe und eigentlich keine Antwort geben könne." 

Die Fragesteller erhofften sich oft eindeutige Antworten, die Steiner manchmal aus guten Gründen ablehnte. Was hätte er etwa auf die Frage antworten sollen: "Ist Schlafen bei offenem Fenster gesund?" Seine Antwort lautete, es käme ganz auf den Einzelfall an: "Es ist durchaus denkbar, dass für den einen Menschen das Schlafen bei offenem Fenster sehr gesund ist, je nachdem die besonderen Einrichtungen seiner Atmungsorgane sind, dass aber für einen anderen Menschen zum Beispiel ein sonst vor dem Schlafen gut gelüftetes Zimmer, das dann aber die Fenster verschlossen hat, während er schläft, das bessere ist. Es handelt sich da tatsächlich darum, Verständnis zu gewinnen für die Beziehung des Menschen zur außermenschlichen Umgebung, um dann im einzelnen Falle nach diesem Verständnis urteilen zu können. [11]

Die Antwort ist charakteristisch für Steiners Abneigung gegen Pauschalisierung und Dogmatisierung. Viele erwarteten von ihm fertige Rezepte (Handlungsanweisungen) für alle möglichen Lebensgebiete.

In theosophischen und anthroposophischen Kreisen herrschte die Überzeugung, ein "Eingeweihter" wie Rudolf Steiner verfüge über "höheres Wissen". Dadurch sei es ihm ein Leichtes, auch alle "profanen" Wissensgebiete souverän zu beherrschen. Es gibt eine Anekdote, in der Steiner diesen naiven Glauben seiner Anhänger humorvoll kommentiert. 

Daran wird deutlich, dass auch ein Eingeweihter auf Informationen aus der physischen Welt (Zeitungen, Fahrpläne usw.) angewiesen ist. [12]

Die Antwort schuldig geblieben

Trotz des erstaunlichen Wissens Steiners gab es Fragen, die er nach eigenem Zeugnis nicht beantworten konnte, weil er die Sache noch nicht erforscht hatte. "Es war dies einer der seltenen Fälle, die ich erlebt habe, dass Dr. Steiner auf eine Frage eine Antwort schuldig geblieben ist. Aber dieser Fall war mir auch ein Zeichen dafür, dass er keine Antwort gab, welche nicht durch eigene Beobachtung fundiert war" (S. 890)

Oft wird der zeit- und anlassbedingte Charakter der Antworten übersehen. Wer sie zu zeitlosen Wahrheiten hochstilisiert, erliegt einer Illusion. So konnte sich der falsche Eindruck verfestigen, bestimmte Themen (etwa Rassenfragen) seien für Steiner von besonderer Wichtigkeit gewesen. 

Steiner im Interview

Ein eigenes Kapitel umfasst alle Interviews Steiners mit deutschsprachigen und internationalen Zeitungen. Einige davon waren bereits in dem vom Rezensenten herausgegebenen Sammelband "Der andere Rudolf Steiner" (Dornach 2005) erschienen.

Steiner in Kristiania Interview Aftenposten
Interview mit der norwegischen "Aftenposten" in Kristiania

Merkwürdigerweise fanden sie alle außerhalb Deutschlands statt. Nach dem Ersten Weltkrieg mehren sich die Interviews, entsprechend dem wachsenden Bekanntheitsgrad Steiners. Ein medienscheuer Obskurant war er jenenfalls nicht. Der norwegischen Zeitung "Tidens Tegn" vom 23. November 1921 imponierte sein souveräner Umgang mit Pressevertretern: 
"Der Doktor lächelt und bemerkt freundlich, er hoffe, einen wiederzusehen, eine kleine Artigkeit, die zeigt, dass Doktor Steiner jedenfalls nicht zum ersten Mal interviewt wird und er es versteht, mit seinen Mitmenschen umzugehen, sowohl mit denjenigen von der Presse als auch mit Außenstehenden." (S. 837)

Dem "König der Reporter", Jules Sauerwein (vom Pariser "Matin") gab er ebenso bereitwillig Auskunft wie dem 16-jährigen Redakteur einer norwegischen Schülerzeitung. Er beschrieb u.a. das Wesen der Anthroposophie, sein Verhältnis zur Theosophischen Gesellschaft, nahm Stellung zum Brand des Goetheanums und zur Kriegsschuldfrage oder erläuterte die Dreigliederung und die Praxis der Waldorfschule. Manchmal hielten die Reporter auch das äußere Verhalten Steiners während der Befragung fest: seine Mimik, seine Gestik, ja sogar einen Hustenanfall. 

Nützlich und gut zu lesen

Die Fragenbeantwortungen gehören, wie der Herausgeber feststellt, eher zum Wirken Steiners als zum Werk. Wenngleich dieser Band also nur ein "Parergon" (ein Beiwerk) darstellt, kann er in mancher Hinsicht als willkommene Ergänzung zu den Vorträgen betrachtet werden. Die Fragenbeantwortungen sind in ihrem Stellenwert den apokryphen Schriften vergleichbar, die heute in den meisten Bibelausgaben fehlen. Luther hatte sie noch in seine Bibel aufgenommen, denn er hielt sie für "nützlich und gut zu lesen".

Wer es nicht schon wusste, dem bestätigt dieser Band, dass Steiner trotz seiner übersinnlichen Schau ein nüchterner, realistischer Beurteiler der physischen Welt blieb. Die Antworten zeigen auch vielfach einen undogmatischen Steiner, der mit liebgewordenen Vorstellungen aufräumte und vor bequemen Verallgemeinerungen warnte. 

_________________________

Rudolf Steiner: Fragenbeantwortungen und Interviews. Schriftliche Fragenbeantwortungen 1892-1924, Mündliche Fragenbeantwortungen 1901-1924, Notizen und Mitschriften, Interviews 1913-1923, GA 244, herausgegeben von Renatus Ziegler, Rudolf Steiner Verlag, Basel, 1. Aufl. 2022, Leinen, 936 Seiten, 85.- Euro 


fotos: Fragezettel, in: Steiner, Bildbiographie, Basel 2021, S. 333./ Der andere Rudolf Steiner, S. 311.

[1] Wolfgang G. Vögele (Hg.): Der andere Rudolf Steiner, Dornach 2005, S. 131
[2] Johanna Mücke/Alwin Alfred Rudolph: Erinnerungen an Rudolf Steiner und seine Wirksamkeit an der Arbeiterbildungsschule in Berlin 1899-1904. Basel 1979, S. 91
[3] Ernst Lehrs, in: M.J. Krück von Poturzyn (Hg.): Wir erlebten Rudolf Steiner. Stuttgart 1970, S.116
[4] Friedrich Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner, Stuttgart 1953, S. 145
[5] Max Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München, Den Haag 1946, S. 30-31
[6] Zit. nach: Margarita Woloschin: Die grüne Schlange. Stuttgart 1955, S. 165 
[7] Rittelmeyer, Lebensbegegnung, S.51 f.
[8] Carl Clemen: Anthroposophy, The Journal for Religion, May 1924, pp.281-292
[9] Herbert Hahn in: Wolfgang G. Vögele (Hg.): Rudolf Steiner in Anekdoten. Basel 2012, S. 49
[10] GA 255b, S. 563 
[11] Dornach, 7. April 1920, GA 73a, S. 229
[12] Vögele, Steiner in Anekdoten, S. 172 

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