Offen für alles. Auch für die Anthroposophie. Helau u. Alaaf
Von Professor Dr. Sumbolle
Die anthroposophische Landschaft kann und muss allerhand verkraften; von zum Guru mutierten Lichtkriegern mit einem Hang zum martialischen Draufhauen á la Bruce Willis bis zum anthroposophischen Wollpulloverträger, der niemals einer Fliege etwas zuleide tun könnte, ist in dieser Szene alles vertreten. Selbst den distinguierten Krawattenträger gibt es noch, der beim anthroposophischen Vortrag seine Uhr abnimmt, um "in der Zeit" zu bleiben.
Dann sind da noch die, die immer auf der Höhe der Zeit sind, die immer noch ein bisschen Zeit für Plaudereien und anthroposophisch-intellektuelle Spielereien haben. Sie twittern und facebooken, was das Zeug hält und freuen sich auch schon mal über die "Versteinerten" oder die "Bornierten", über die "Verschwörungstheoretiker", über die sie dann ihrerseits "Verschwörungstheorien" verbreiten können. Irgendwie sind sie ein bisschen verrückt oder zumindest etwas neben der Narrenkappe.
Wieder andere Anthropsophen sind die alternden Hippies des 21. Jahrhunderts. Sie scheren sich nicht um Konventionen, saufen, rauchen, vögeln und meditieren, lesen, wenn überhaupt, den Vorkriegs-Steiner und essen gern auch mal fette Bratwürste in Kaufhauskantinen. Neulich sah ich einen sogar in die Kirche gehen. Oft auch zählen sie sich zu einer Gruppe von Zeitgenossen mit einem Hang zum Besserwissen. So watscht der eine den anderen ab, beleidigt einer mal eben durch lockere Aussprüche Opfer von kirchlichen Würdenträgern, denen die Würde von Kindern egal ist, oder regt sich ein anderer darüber auf, wenn einer Aufklärung anders versteht als er sich das vorstellt. Manche schreiben auch dicke Bücher über Rudolf Steiner und haben noch keine "Walldorfschule" von innen gesehen. Alles ist möglich.
Natürlich gibt es auch die Stillen, die regelmäßig meditieren und sich auf dem so genannten "anthroposophischen Schulungsweg" befinden. Von denen hört man nicht viel, das Internet nutzen sie – wenn überhaupt – für ihren Mailverkehr, kaum jemand wird je erfahren, ob es ihr einziger Verkehr ist, sie schreiben am liebsten mit der Hand und sind irgendwie skurril-verträgliche ZeitgenossInnen, die am ehesten in die schon oben genannte Schafwoll-Kategorie gehören.
O ja, die anthroposophische Landschaft bietet nicht nur die hell Leuchtenden und die ERleuchteten und die Angekommenen, die miesepetrig erscheinenden Sektierer und die – sich heimlich oder auch unheimlich – als Gurus Fühlenden. Von allen wiedergeborenen Rudolfen einmal ganz abgesehen. Kurz, es ist wie im richtigen Leben. Offen für alles. Und deshalb lehne ich mich ganz entspannt zurück und freue mich, dass es anderen auch nicht anders zu gehen scheint als mir.
Rudi, ich glaube, Du hast es geahnt. Und manchmal sogar darüber geschrieben.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Wie schön, ich kenn sie alle und gehöre selbst auch dazu, irgendwie. Wobei mein Typ nicht beschrieben wird in Ihrem Text.
Besten Dank für die gute Unterhaltung an diesem viel zu warmen Wintermotag. NF