Dürrenmatt und das Ende des Tunnels 

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von Michael Mentzel

Heute, am 5. Januar vor 101 Jahren wurde der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt geboren. Vor einigen Tagen hörte ich – mit halbem Ohr ­– irgendwo jemanden sagen: "Wir sehen Licht am Ende des Tunnels".

"Licht am Ende des Tunnels" ist eine Metapher, die wir fast alle kennen. Das Licht steht hier vermutlich für Aufbruch, ein vielleicht unbekanntes Neuland oder auch ganz schlicht für das Ende einer Durststrecke. 

In Friedrich Dürrenmatts Kurzgeschichte "Der Tunnel" aus dem Jahr 1952 gibt es allerdings nichts dergleichen. Da ist kein Entrinnen, kein Licht, ein Zug rast führerlos – der Lokführer ist schon längst abgesprungen – auf einen imaginären Abgrund zu, die Passagiere kümmern sich nicht um derlei Lappalien und nur ein skurril wirkender junger Mann bemerkt das Ungeheuerliche. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht, für den Schaffner ist alles in Ordnung und auch der Zugführer zuckt mit den Schultern, er habe ohnehin "immer ohne Hoffnung" gelebt, obwohl er aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Passagieren nicht mit dem Lokführer abgesprungen ist. 

Die 1950er Jahre waren literarisch – nicht nur in Deutschland – geprägt von Aufschwung und einer mehr oder weniger intensiven Aufarbeitung der Wunden, die der zweite Weltkrieg geschlagen hatte. 
Den Schweizer Friedrich Dürrenmatt für einen Propheten, einen Zeitgenossen zu halten, der die Zukunft voraussagen konnte, würde wohl kaum jemandem einfallen. 

Gleichwohl, die Interpretationsspielräume gerade bei dieser Geschichte sind vielfältig und werden von jedermann und -frau wohl unterschiedlich angewendet. Dazu ist es eben auch nur eine Geschichte und es wird in einigen literarischen Genres sicher Variationen dieses Themas geben. 

In einer Zeit aber, in der sich so langsam wohl kaum noch jemand so richtig auskennt, kann es sich aber vielleicht doch lohnen, sich mit einem Sachverhalt zu beschäftigen, der zwar auf den ersten Blick absurd erscheinen mag, andererseits Assoziationen hervorruft, die so absurd gar nicht mehr erscheinen wollen. 

Dabei ist es ja kaum vorstellbar, (Achtung Ironie!) dass jemand auf die Idee kommen könnte, es gäbe hier Parallelen zum Klimawandel oder anderen drohenden Katastrophen wie Kriegen oder ähnlichem. 

Glaubt wirklich noch irgendeine oder -einer, dass Kriege einfach so ausbrechen? Kriege werden von langer Hand vorbereitet. Dank Fridays for Future dürften die Auswirkungen und die damit verbundene Brisanz des Klimawandels inzwischen in jedem Bewusstsein angekommen sein. Es werden wohl nicht mehr all zu viele sein, die diesen Klimawandel in das Reich der Fabeln und Geschichten verweisen würden. 

Nun ja, die Sache mit dem Tunnel geht nicht sonderlich gut aus, der Zug rast und rast weiter ins Dunkel und der junge Mann, der verzweifelt versucht, gegen die Katastrophe zu kämpfen, gibt am Ende auf und fügt sich in das Unvermeidliche. Und so heißt es in der Dürrenmatt´schen Fassung von 1952 am Ende zwar auf die Frage: "Was sollen wir denn tun?", wenn auch nicht gerade sehr optimistisch: "… Gott ließ uns fallen und so stürzen wir denn auf ihn zu." 1978 allerdings ändert Dürrenmatt in einer Neuauflage der Geschichte diese Antwort und endet mit dem Wort: "Nichts". 

Was ist unsere Antwort auf die Frage: "Was sollen wir denn tun?" 

Gibt es eine Antwort?

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bild: pixabay

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • WOLFGANG PÜSCHEL
    20. Januar 2022 15:40

    "Das Nichts zwingt zur Schöpfung". Günter Eich

    Diesen Gedanken habe ich 1987 auf eine DIN A4 Karte zu dem damals hergestellten Bronzeguss "Hermaphrodit" von Beatrix Sassen (Höhe 234cm/Gießerei Noack,Berlin) gedruckt.

    Die Warheit als Wunderkerze? Joseph Beuys,1921-1986

    Ein für mich schöner Gedankenimpuls von Eich,Sassen und Beuys
    bezogen auf den Begriff des "SEINS" ….

    Antwort: Denken,Denken,Denken > Handeln,Handeln,Handeln > Aktion,Aktion,Aktion

    WOLFGANG PÜSCHEL
    20.01.2022 GREVENBURG/GERMANY

    Antworten

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