red.tdz.- In der deutschsprachigen Presse erschienen 1925 zahlreiche Nachrufe auf Rudolf Steiner. Einige davon waren stark politisch gefärbt. Als charakteristisches Beispiel bringen wir eine Notiz aus dem bayrischen „Miesbacher Anzeiger“ (Miesbach-Tegernsee). Ursprünglich als konservatives Blatt gegründet, war diese Zeitung immer mehr in antisemitisches Fahrwasser geraten. Mehrfach verboten, hetzte sie ganz im Sinne der frühen Nazipartei gegen Juden, Freimaurer und „Erfüllungspolitiker“. Im „Miesbacher Anzeiger“ hatte der Schriftsteller Ludwig Thoma 1921 antisemitische Hetzartikel gegen Rudolf Steiner publiziert. [1]In dem folgenden kurzen Text vom 1. April 1925 wird Steiner als Agent einer „jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung“ gegen Deutschland dargestellt.
Rudolf Steiner gestorben!
In Dornach ist im Alter von 64 Jahren der Führer der anthroposophischen Bewegung, Dr. Rudolf Steiner, gestorben. Mit Steiner ist einer jener Männer aus dem Leben geschieden, die in geistiger Beziehung zu den Führern der Weltrevolution zu zählen sind. Steiner war einer der einflußreichsten Freimaurer und gehörte dem 91. Grad an, war somit einer der Wissenden. Als die Revolution in Deutschland ausbrach, eilte er nach München und hatte dort in vielen Dingen einen maßgebenden Einfluß. Er verstand es glänzend, unter dem Anschein von Wissenschaft Afterwissenschaft zu verbreiten und die Geister zu verwirren. [2]
[1] Wolfgang G. Vögele: Ein Satiriker auf Abwegen. Die Drei, 10/2014, S.66 f.
[2] Aus: Wolfgang G. Vögele (Hg.): Rudolf Steiner in Nachrufen. Von Der Frankfurter Zeitung bis zur Roten Fahne. Frankfurt a. M.: Info3 Verlag 2024, S. 80]
Zu diesem Thema auch:
Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der jüdisch-freimaurerischen Weltverschwörung 1776-1945. Flensburger Hefte 1977.