Gedanken zu einer Biographie über Rudolf Steiner
von Michael Mentzel
Ich bin gespannt. Welcher Steiner wird mir in diesem Buch begegnen? Ist es der Menschheitslehrer, der in den Augen vieler seiner Anhänger eigentlich unfehl- und unhinterfragbar ist? Ich erinnere mich an Beiträge von Andreas Laudert, die mir zu Beginn von dessen Schreibtätigkeit wegen seiner mir etwas zu lässig und fast ein wenig schnoddrig erscheinenden Sprache nicht sonderlich zugesagt hatten. Im Laufe der Zeit jedoch – das gebe ich gern zu – hat sich mein Blick auf diesen Autor spürbar gewandelt.
Nun also vom Futurum-Verlag eine Biographie Rudolf Steiners mit dem Titel "Unter den Augen des Himmels". Das Buch liegt schon eine Weile auf meinem Schreibtisch, fast wie wartend darauf, dass ich endlich beginne, es zu lesen. Als ich feststelle, das bereits zwei Besprechungen des Buches in der anthroposophischen Monatsschrift Die Drei (Ausgabe 2/2025 und 3/2025) erschienen sind, frage ich mich, was nun? Ich finde diese beiden Rezensionen sehr gelungen und ich fühle mich etwas unwohl bei dem Gedanken, mit meinen Worten am Ende nur noch weniges sagen zu können, weil ja bereits alles gesagt ist.
Ich beginne zu lesen und merke, wie mich die Worte des Autors Laudert immer mehr in das Leben und vor allem in die Gedankenwelt Steiners hineinziehen und wie ich plötzlich einen Zugang finde zu dieser Laudertschen Sprache, die von Sympathie und Zuneigung getragen ist und die mir die Dinge, die ja nicht nur ich längst weiß und schon gefühlt etliche Male gelesen habe, auf eine Weise erzählt, die neu ist und mich so ganz anders berührt und ergreift. Auf welche Weise Laudert die Wege und auch die Umwege Steiners, auch seinen (Lauderts) persönlichen Zugang zu Steiner beschreibt und nicht nur wie so mancher andere Biograph die verschiedenen Stationen "abarbeitet", finde ich außerordentlich gelungen.
Dass der Biograf Laudert Rudolf Steiner als Fragenden und damit als Lernenden erlebt und nicht ausschließlich als den Weisheitslehrer, der Steiner zweifellos a u c h ist, lässt auf ein Verständnis schließen, das so manchem Steiner-Adepten fehlen mag, selbst wenn er in der Lage ist, auf alle Fragen mit der GA-Nummer zu antworten und damit seine Belesenheit auf eine bewundernswerte Weise zur Schau stellen kann. Laudert gelingt das Kunststück, mit mir als Leser ins Gespräch zu kommen und so verschwimmen plötzlich die Grenzen und Begrenztheiten, die manchmal das Verständnis des Gegenstandes der Beobachtung erschweren können. Dabei erfahren wir ja nichts Neues, nichts plötzlich Investigatives, nichts, was Steiner plötzlich in einem ganz anderen Licht als bisher erscheinen ließe. Vielleicht im Sinne: "Oh, das hätten wir jetzt nicht gedacht …" Aber wie Laudert die Verbindungslinien sichtbar macht, die Rudolf Steiner zu dem gemacht haben, der er geworden ist, zeugt von dem gelungenen Bemühen, zu verstehen, worauf es ankommt. Mit dem Herzen zu denken und mit den Augen des Himmels zu sehen, wie es im Klappentext heißt und wie auch der Titel des Buches nahelegt, ist – so meine ich – gar nicht so schwer. Es genügt manchmal schon, sich auf einige neue, bisher scheinbar ungedachte Gedanken einzulassen. Alles weitere und sogar manchmal noch mehr erfahren sie zum Beispiel in einer anthroposophischen Klinik, einer Waldorfschule oder in einem Bioladen. Und was Steffen Hartmann oder Stefan Weishaupt zu diesem Buch zu sagen haben, können Sie hier und auch hier nachlesen. Es lohnt sich.
titelfoto collage: tdz