Kulturvermittler und Einzelgänger

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Ein Anthroposoph gegen "anthroposophische Correctness" Ein Hinweis auf Hans Hasso von Veltheim-Ostrau (1885-1956)

von Wolfgang G. Vögele – 
Heute noch vielen bekannt durch seine nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Reisetagebücher aus Asien, begegnete Hans Hasso von Veltheim spirituellen Lehrern in West und Ost, wie etwa Rudolf Steiner und Ramana Maharishi. 
Sein Herzensanliegen war die Verständigung zwischen asiatischem und europäischem Geistesleben. Weil er es dabei an "anthroposophical correctness" fehlen ließ – er hob Steiner nicht genügend als den größten Eingeweihten hervor – wurde er als unsteter "Grenzgänger" verdächtigt, der "für alles offen war". 

Unter den vielen begeisterten Rezensionen seiner Bücher befanden sich auch kritische Besprechungen, bezeichnenderweise von anthroposophischer Seite. Veltheim dürfte in ihnen jene belehrende und besserwisserische Haltung wiedergefunden haben, auf die er seit langem „allergisch“ reagierte.

Fritz Götte legt das Buch „Tagebücher aus Asien“ (Köln 1951) "mit zwiespältigen Gefühlen aus der Hand". Veltheim verwende die anthroposophische Terminologie, ohne auf deren Quelle hinzuweisen. Er habe ganz in den östlichen Schulungen gelebt und offenbar ganz bewusst Steiners Hinweis verschwiegen, dass nur die mitteleuropäische Schulung imstande sei, "den größten Kampf der Weltgeschichte" in ein friedlich-merkurielles Element überzuleiten. Davon erfahre der europäische Leser nichts. Die östliche Geistigkeit sei eine Gabe Luzifers. Veltheim verhülle seine eigentliche Menschheitsaufgabe der Mitte: den Christus-Erlösungsweg. 1 

Und Herrmann Reuter schreibt: "Der Baron hätte eine Aufgabe in der Auseinandersetzung zwischen dem Osten und Westen gehabt." Nun lege er aber auf seine langjährige persönliche Schülerschaft bei Rudolf Steiner Wert. Während er dies betone, distanziere er sich auf der anderen Seite von seinem Lehrer ganz unmissverständlich. "Und das muss befremden. Das offene, eindeutige Bekenntnis zu Rudolf Steiner hätte ihn nicht um seinen Bucherfolg gebracht.[…] Rudolf Steiner wird von ihm als 'auch einer' behandelt." Steiner habe in dem Vortrag "Geistige Osterglocken" über Kashiapa, einen Schüler Buddhas, gesagt, dieser werde einst eine Auferstehung "im Damaskus Feuer des Christus" erleben. Dies sei für Veltheim offenbar nur eine Legende, obwohl diese die asiatische Geisteshaltung besser charakterisieren als "Empfänge und Empfehlungen" [Veltheim war in Asien von hochrangigen Staatsmännern und spirituellen Lehrern empfangen worden]. "In seinen Asienbüchern läuten noch nicht die geistigen Osterglocken. Von Veltheim ist auf seiner erlebnisreichen Odyssee noch nicht in seine wahre Heimat zurückgekehrt. Die Vorbehalte, mit denen wir seine Bücher über Indien aufnehmen müssen, mögen ihn aber nicht von dieser Rückkehr abhalten." 2

Die Erforschung der Biographie Veltheims und die Würdigung seiner Lebensleistung fand bislang fast nur außerhalb der anthroposophischen Bewegung statt. Trotz seiner lebenslangen Dankbarkeit Steiner gegenüber, dem er 1918 erstmals in Berlin begegnete und der ihm in einer Lebenskrise nachhaltig helfen konnte, war Veltheim auch mit Steiners "Intimfeindin" Annie Besant befreundet und beherbergte auf seinem Schloss Ostrau bei Halle (Saale) Jiddu Krishnamurti, nachdem sich dieser 1929 von der ihm aufgezwungen Rolle als "Messias" gelöst hatte. 

Zahlreiche führende Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur kannte der Baron persönlich. Sein Schloss, dass er 1927 geerbt hatte, machte er zu einem Treffpunkt für Menschen aller Weltanschauungen, Religionen und politischen Richtungen. Sein Bekenntnis zur Anthroposophie betrachtete er als seine Privatangelegenheit. Veltheim schätzte "Unabhängigkeit, die liebevoll alle Gegensätze in sich vereint, wenn sie nur Lebenskraft besitzen." 3 

Mit den folgenden Zitaten soll sein Verhältnis zu Rudolf Steiner und zu dessen Anhängern beleuchtet werden. Ein längerer Aufsatz, der den neuesten Forschungsstand zu Veltheim und eigene Recherchen einbezieht, befindet sich derzeit in Arbeit.

Anthroposophische Rezensenten 

Auf negative Rezensionen seiner Bücher durch einige Anthroposophen bezieht er sich in einem Brief an Monica von Miltitz 1955: "Die Anthroposophen vergessen leider, dass ich Tagebücher aus Asien und Indien geschrieben habe und schreibe und nicht Bücher über Dr. Steiner und seine Anschauungen über Indien und Asien." 4 

Anthropotanten

An seinen Verleger Eugen Claasen hatte er 1950 geschrieben: "Zu Dr. Rudolf Steiner persönlich stehe ich nach wie vor unverändert, wie bei seinen Lebzeiten, aber seine Jünger [an anderer Stelle: diese schleimigen Anthropotanten und Dogmatiker der Anthroposophie] sind mir meist ein Brechmittel und ihre astralen Ausschleimungen machen mich, wie gesagt, 'allergisch' " 5

Freies Geistesleben

Aber auch an Rudolf Steiner übt er Kritik: Seinem Freund, dem Chinakenner Richard Wilhelm, schreibt er 1930, es gehe nicht an, das eigene persönliche Erleben "als den einzigen Weg, die Wahrheit und das Leben zu verkünden und alles andere zu diminuieren und als unzeitgemäß zu stempeln!" 6 Steiner hatte den Rückgriff auf orientalische Geistigkeit, etwa die Übernahme von Yogapraktiken als für den Westen unangemessen bezeichnet. Gleichwohl blieb Steiner für Veltheim "ein Garant eines freien Geisteslebens, kein Verkünder höherer Wahrheiten, von Dogmen, die andere zu akzeptieren hatten." 7 

Bejahend erarbeiten

Andererseits lesen wir: "Nur wer durch die Anthroposophie ging und gleich mir sie bejahend erarbeitet hat, kann erfassen und darüber urteilen, welche grundlegende Änderung sie in mir bewirkte und was mir Rudolf Steiner bedeutet." 8 

Dann bleibt vom Thema gewöhnlich nichts übrig

1932 schreibt Hans Hasso von Veltheim an den Waldorflehrer Alexander Strakosch: "So war es auch gut, dass Sie nur einmal bei der Erziehung auf Dr.Steiner verwiesen haben. Ich weiß, das ich mit dieser Ansicht im Gegensatz zu vielen anderen Anthroposophen befinde, die wünschen, dass man dauernd auf Dr. Steiner Bezug nimmt." Dies aber führe zu oft vom Thema ab, weil dann auch Vorurteile ausgeräumt werden müssten. "Dann bleibt vom Thema gewöhnlich nichts übrig." Und: "Für den Kenner ist es ja ohnehin ersichtlich, dass wir alle, die wir durch die Anthroposophie gegangen sind, wenn wir es richtig getan haben […] nicht anders als dauernd aus einem Sein-Zustand heraus aus der Anthroposophie leben, handeln und sprechen müssen." 9

Karma

Über Karma: "Keine sebstgewählte Schulung, auch kein indischer Yoga, erreicht diejenigen Erziehungs-Wirkungen, welche wir durch unser Schicksal (Karma) empfangen, soweit wir seinen Sinn erkennen und es deshalb voll und ganz bejahen." 10

"Ich betrachte das Karma (Schicksal) eines Menschen als Richtung, in welche Gott uns weist. 11 In letzter Konsequenz bedeutet dies: Wer nur noch dem Geiste verpflichtet ist, der ist an keine Familie, an kein Volk, an keine Rasse gebunden, sondern nur noch der gesamten Menschheit verbunden …" 12

Einzelgänger

Zuletzt eine Begebenheit, die Veltheims Freund Hans-Erich Schwarz überliefert hat: "Nach einem internen Vortrag, in dem Dr.Steiner gegen die Mitglieder wetterte, hat er Hans Hasso von Veltheim mit den Worten in den Arm genommen: ‚Ohne Euch Einzelgänger wäre es zum Verzweifeln.‘ " 13

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Foto Wikipedia: Schloss Ostrau (gemeinfrei) 

Anmerkungen

1 Fritz Götte: H.-H.von Veltheim-Ostrau: Tagebücher aus Asien, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, 6/2 (1952), S. 84-86

2 Hermann Reuter: H.-H.von Veltheim: Der Atem Indiens. Tagebücher aus Asien. Neue Folge. Hamburg 1954. In: Gegenwart 17/3 (1955),S. 143 f.

3 John Palatini: "Neuer Adel vom Geiste her" Hans-Hasso von Veltheims aristokratischen Individualismus.In: Palatini/Rosentreter (Hg.): Alter Adel, neuer Geist. Halle (Saale) 2017, S.19

4 Uwe Wolfradt: Zur Ethnopsychologie der Reiseberichte über Asien von Hans-Hasso von Veltheim, in: John Palatini / Georg Rosentreter (Hg.): Alter Adel, neuer Geist, Halle (Saale) 2017, S. 159

5 John Palatini:Weltanschaungsarchitektur in einer evangelischen Kirche. In: Palatini/Rosentreter (Hg.): Das Erbe der Veltheims, Ostrauer Schriften Bd. 2, Halle (Saale), 2017, S. 223 

6 Palatini, a.a.O. , S. 226 

7 John Palatini, a.a.O., Fußnote 19

8 aus einem Tagebuch 1932, John Palatini: Neuer Adel … Fußnote 114

9 Aenigma Ausstellungskatalog. Hundert Jahre anthroposophische Kunst. Halle (Saale) 2015, S. 341]

10 John Palatini: Neuer Adel …, Fußnote 44

11 a.a.O, Fußnote 45

12 a.a.O., Fußnote 46

13 Hans-Erich Schwarz (Nürnberg): Zu Hans Hasso von Veltheim. Mitteilungen für die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland, Nr.138, ,1981, S.340f.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • WOLFGANG PÜSCHEL
    19. Dezember 2021 16:22

    Ohne euch EINZELGÄNGER wäre es zum verzweifeln. Rudolf Steiner

    Schön dieses Zitat! … von Rudolf Steiner.
    Die EINZELGÄNGER bewahren evtl. vor dem Stumpfsinn der Langeweile
    und der Mitläufermentalität.

    Wolfgang Püschel 20.XII.2021 Grevenburg

    Antworten

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